Dienstag, 5. Oktober 2004

Antikubanische Kampagnen

Handlanger Washingtons

In mehreren europäischen Städten machen Antikommunisten gegen die kubanische Regierung mobil. Hinter den politischen Aktionen steckt System

Der ehemalige tschechische Präsident Václav Havel weiß, wie Politik inszeniert werden muß. Als gelernter Theaterdramatiker und bewährter Antikommunist stand er in der ersten Reihe, als sich am 18. September Gesinnungsgenossen in Prag trafen, um den »friedlichen Übergang Kubas zur Demokratie« zu beraten. Neben der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright war in Prag auch der SPD-Abgeordnete Markus Meckel zu Gast. Zu den kurzfristigen Zielen hatten die prominenten Kuba-Gegner schon im vergangenen Jahr die Etablierung eines europäischen Fonds zur Finanzierung politischer Aktionen erklärt. Langfristig, so gab man auch in diesem Jahr in Prag bekannt, will man »Finanzmittel und Informationen für Aktivisten in Kuba kanalisieren«. Es mag paradox wirken, wenn ausgediente Politiker wie Havel und der in Spanien abgewählte José Maria Aznar die kubanische Regierung als »Relikt des vergangenen Jahrhunderts« bezeichnen, der Kontext des Treffens war aber durchaus ernst zu nehmen. Es reihte sich in eine Serie antikubanischer Aktionen ein, die von der US-Regierung zunehmend gefördert werden.


Millionenfonds für Umsturz

Als Anfang Mai der 500 Seiten starke sogenannte Powell-Bericht zum Regimewechsel in Kuba an den US-Präsidenten übergeben wurde, gab der damalige Lateinamerika-Beauftragte der Bush-Regierung, Roger F. Noriega, die konkreten Zahlen des Destabilisierungsprogrammes bekannt. Neben den bis dahin jährlich veranschlagten sieben Millionen US-Dollar wurden zusätzliche 29 Millionen zum Kampf gegen den kubanischen Sozialismus freigegeben. Weitere fünf Millionen sollen laut Noriega allein »für Bestrebungen verwandt werden, die Öffentlichkeit über die Beherbergung von Terroristen, die Unterdrückung von Menschenrechten und Spionage gegen andere Staaten durch das (kubanische) Regime zu unterrichten«. Zusammen mit einem 18-Millionen-Dollar-Etat für Propagandasendungen nach Kuba läßt sich die US-Regierung die verschärften Maßnahmen inzwischen mindestens 59 Millionen US-Dollar kosten. Nicht immer wird erklärt, wohin die Mittel genau fließen.


Gefährliche Kooperation

Offensichtlich aber ist, daß mit der Bekanntgabe des US-Planes »für ein freies Kuba« Anfang Mai auch die Kampagnen in Europa ausgedehnt wurden – mit unterschiedlicher Resonanz. So arbeitet die französische Gründungssektion der Presseorganisation »Reporter ohne Grenzen« (RSF) auf Initiative ihres Chefs Robert Ménard inzwischen offen mit Kräften des kubanischen Exils in den USA zusammen. Wie die US-Tageszeitung Miami Herald bereits im September 2003 berichtete, publizierte der RSF-Chef damals in Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Aktivisten des kubanischen Exils in den USA Propagandamaterial in mehreren Sprachen. Ziel war es, den internationalen Kuba-Tourismus zu schädigen. Mit ihrem herausragenden Engagement steht die französischen Sektion der »Reporter ohne Grenzen« im internationalen Verband relativ alleine dar, was nicht zuletzt den »guten« persönlichen Kontakten Ménards zur extremen Rechten des US-kubanischen Exils geschuldet ist. Auch die Lateinamerika-Koordinatorin der katholischen Hilfsorganisation Pax Christi in den Niederlanden, Liduine Zumpolle, unterhält enge persönliche Kontakte zu kubanischen Oppositionsgruppen. Auf der Internetseite der niederländischen Sektion wird unter anderem die »Christliche Befreiungsbewegung« des Castro-Gegners Osvaldo Payá als Kooperationspartner genannt. Payá wird seit etwa zwei Jahren von antikubanischen Organisationen hofiert. Im Dezember 2002 sorgte die Verleihung eines Menschenrechtspreises der EU für einen Eklat, weil dies gegen den Protest großer Teile des EU-Parlaments durchgesetzt wurde.


Dialog statt Hetze

Auch die Solidaritätsbewegung mit Kuba bestätigt die Zunahme der politischen Attacken gegen Havanna. »Während etablierte Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (ai) durchaus zum Dialog über Menschenrechte in Kuba bereit sind, geht es Organisationen wie der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Teilnehmern des Prager Treffens allein um die Delegitimierung der kubanischen Regierung«, meint Reinhard Thiele von Cuba sí, der Arbeitsgruppe bei der PDS. Zwar sei man mit der Art der Kritik von ai nicht immer einverstanden, »aber in den ai-Berichten werden immer auch die mittel- und unmittelbaren Auswirkungen der US-Blockade gegen Kuba erwähnt«, sagte der Cuba-sí-Sprecher gegenüber junge Welt. Ein Kontext, der bei anderen vermeintlichen Menschenrechtsorganisationen völlig fehlt. Cuba sí wie anderen Solidaritätsorganisationen geht es dabei keineswegs um ein unkritisches Verhältnis. »Im Dialog mit kubanischen Partnern spielen Probleme des Alltags durchaus eine Rolle«, erklärte Thiele. Allerdings versuche man, die Probleme gemeinsam zu diskutieren. Im Namen der Menschenrechte. Nicht im Namen Washingtons.


Pressestimmen zwischen »Diktatur«, »Totalitarismus« und »Apartheid«

Kuba ist ein Land, das sich schon seit 45 Jahren unter einem totalitären Regime befindet, dessen Staatsführung jegliche fundamentalen Rechte und Freiheiten der kubanischen Bevölkerung verletzt.

»Internationale Gesellschaft für Menschenrechte«, Presseerklärung aus Miami/ Frankfurt am Main, 25. Juni 2004


Wer sich an den Stränden Kubas in der Sonne aalt, trägt wesentlich dazu bei, daß sich das menschenverachtende Regime von Fidel Castro an der Macht halten kann. (…) 45 Jahre später ist Kuba offenbar wieder da angekommen, wovon sich die Menschen auf der Insel einmal befreien wollten.

Frankfurter Rundschau, 8. September 2004


»Es ist einer von Castros Mythen, daß es erst seit der Revolution ein funktionierendes Gesundheitswesen in Kuba gibt«, erklärt der Arzt. Den offiziellen Statistiken glaubt Carro nicht. »Oft müssen die Patienten sogar die Glühbirnen mit ins Krankenhaus bringen, damit sie dort Licht haben«, so Carro. »Der Mangel liegt in der desolaten Wirtschaftslage begründet. Außerdem fließt ein großer Teil der Einnahmen aus dem Tourismus oder der Zuckerproduktion in den Militärapparat«. Doch nicht alle leiden unter dem System. Für die politische Elite und Touristen werden Einrichtungen vorgehalten, die durchaus westlichen Standards entsprechen. »Es ist ein regelrechtes medizinisches Apartheid-System«, kritisiert Carro. (…)

Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe 38, 17.9.2004


Am 16. Februar beschloß der Kubanische Volkskongreß das »Gesetz zum Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas«, das Dissidenten und unabhängige Journalisten mundtot machen soll. (…) Reporter ohne Grenzen hat die Europäische Union aufgefordert, bei allen Verhandlungen mit Kuba dieser gravierenden Verschlechterung in Hinblick auf Meinungs- und Pressefreiheit Rechnung zu tragen.

Reporter ohne Grenzen, Rundbrief Nr. 27, März 1999


»Dunkle und verleumderische Desinformation«

Zunehmend werden Kampagnen gegen Kuba mit der Lage der dortigen Menschenrechte begründet. So auch bei der IGfM

Anfang September erschien in der Frankfurter Rundschau (FR) ein vielsagender Beitrag zu Kuba. Unter dem Titel »Sextouristen füllen Castros Kasse auf« suggerierte die Autorin, die sozialistische Regierung in Havanna würde (Kinder-) Prostitution tolerieren oder gar mit dem Ziel fördern, an Devisen zu gelangen. Die These stützte sich maßgeblich auf ein Interview mit der in Miami/ USA ansässigen Exilkubanerin Laida Carro. Ihre Terminplanung in Deutschland oblag der »Internationalen Gemeinschaft für Menschenrechte« (IGfM). Und die wußte, wie die Gespräche zu inszenieren waren. Wenige Tage nach dem FR-Gespräch waren die Exilkubaner samt IGfM beim Deutschen Ärzteblatt in Köln zu Gast. Kernaussage in dessen anschließendem Bericht: »In Kuba herrscht ein regelrechtes medizinisches Apartheidsystem.« Während Laida Carro in dem FR-Artikel als Vorsitzende einer Gruppe namens »Kubanisch-Amerikanische Frauenkoalition« vorgestellt wird, posierte sie gegenüber dem Ärzteblatt lediglich als brave Medizinergattin. Tatsächlich setzt sie sich in ihrer Wahlheimat USA vor allem dagegen ein, daß die Universität Miami trotz staatlicher Repressalien an Studienreisen nach Kuba festhält. Ein obskures Freiheitsverständnis.

Es war nicht das erste Mal, daß die IGfM rechte ideologische Kampagnen unter dem Deckmantel des Menschenrechtsaktivismus verbarg. Bereits 1990 befaßten sich die Journalisten Günter Platzdasch und Rainer Fromm in einer investigativen Studie mit der Gruppe. Die Arbeit basierte sowohl auf umfangreichen Recherchen als auch auf den persönlichen Erfahrungen, die Platzdasch in der Pressestelle der IGfM machte. Demnach sind bzw. waren in der Gruppe rechskonservative bis -extremistische Personen wie Otto von Habsburg, Konrad Löw und Lothar Bossle aktiv. Aber auch Kriminelle und Neofaschisten seien in führenden IGfM-Positionen im Einsatz. Kontakte habe es demnach mit der NPD, den Republikanern, der totalitaristischen Mun-Sekte, vereinzelt auch mit den türkischen Neofaschisten der »Grauen Wölfe« und der CIA gegeben. Das ist wenig erstaunlich, beachtet man die historischen Hintergründe der Gruppe. Bei ihren historischen Recherchen fanden Platzdasch und Fromm heraus, daß die IGfM 1972 unter starkem ideologischen Einfluß einer ehemals Hitler-treuen russischen Organisation gegründet worden war: dem »Bund russischer Solidaristen« (ROWS, später in NTS umbenannt).

Aufgrund der mehr als dubiosen Machenschaften der IGfM haben immer wieder führende Mitglieder wie Cornelia Gerstenmaier, der Staatsrechtler Martin Kriele und der sowjetische Dissident Wladimir Bukowski die Gruppe verlassen. Ende 1987 verurteilte die 42. Generalversammlung der Vereinten Nationen »die sogenannte Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« sogar als »Agenten« des südafrikanischen Rassistenregimes »scharf« wegen »dunkler und verleumderischer Desinformationskampagnen«. Die schon damals entlarvte Propagandaarbeit der IGfM dauert ungehindert an: Wie auf einer Konferenz der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung am 30. September bekannt wurde, beabsichtigen der Unionsabgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich und der SPD-Mann Markus Meckel den gemeinsamen Aufbau eines internationalen Netzwerks, um »Aufmerksamkeit für die Lage von politischen Gefangenen auf Kuba zu wecken und deren Familien humanitäre Hilfe« zukommen zu lassen. Die Aktion soll »mit ähnlichen Projekten in Europa und Lateinamerika insbesondere mit der Organisation der Christdemokraten Amerikas (ODCA) abgestimmt und vernetzt werden«. In der schriftlichen Begründung beziehen sich auch Hedrich und Meckel maßgeblich auf eine Quelle: die IGfM.

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