Dienstag, 5. Oktober 2004

Polizeiprügel in Berlin reloaded

»Polizisten würgten mich mit dem Schal«

jW sprach mit Kamil Majchrzak. Dem deutsch-polnischen Journalisten wurde bei Demo von Polizisten angegriffen

* Kamil Majchrzak, gebürtig aus Wroclaw, ist Jurist und Journalist. Er schreibt für Telegraph, Nigdy Wiecej und Lewa Noga

F: Sie sind am Samstag in Berlin bei der Demonstration gegen »Hartz IV« von Polizisten angegriffen und festgenommen worden. Sie haben auch Verletzungen davongetragen. Wie kam es dazu?

Ich lief im Demonstrationszug mit. Irgendwann stellte ich fest, daß am Rande ein Polizist mit Videokamera mitging, der mich andauernd von ganz nah filmte. Zu dem Zeitpunkt waren wir auf die Straße Unter den Linden eingebogen und näherten uns den Ausstellungsräumen von VW. Ich sah schon von weitem dunkle Flecken an der Fassade – irgend jemand hatte wohl Farbbeutel geworfen.

F: Aus welchem Anlaß wurden Sie gefilmt? Ihnen wurde hinterher Vermummung vorgeworfen.

Das kam möglicherweise so: Irgend jemand hatte Feuerwerkskracher geworfen, worauf mehrere Leute panisch reagierten, weil sie das für einen Tränengaseinsatz hielten. Daraufhin zogen sich mehrere Teilnehmer für ein paar Sekunden Schals oder Taschentücher vor den Mund, um sich vor dem vermeintlichen Gas zu schützen. Kann sein, daß daher der Vermummungsvorwurf kommt.

F: Die Polizei berichtete, es seien Farbbeutel und Flaschen geworfen worden.

Möglicherweise sind da solche Sachen geflogen. Allerdings war die Fassade schon mit Farbflecken bekleckert, als wir dort ankamen. Zu dem Zeitpunkt wurde mir auch klar, daß ich seit einigen Minuten von dem mitlaufenden Beamten gefilmt wurde. Ein paar hundert Meter weiter – auf der rechten Seite war ein Bauzaun – ging ich dann aus der Demo heraus, wandte mich dem Beamten zu und fragte, warum er mich denn filme. Ich habe dabei auch meinen Presseausweis zeigen wollen. Plötzlich wurde ich von hinten zu Boden gerissen, mit meinem Schal gewürgt und zu einer Mauer gezerrt.

F: Wie wurden Sie verletzt?

Die haben mich auf den Boden gedrückt, die Hände auf den Rücken gefesselt und mir sehr schmerzhaft auf den Hinterkopf geschlagen. Ich habe dann laut nach einem Krankenwagen geschrien, darauf sind die Beamten aber gar nicht erst eingegangen. Ich wurde schließlich in den Polizeigewahrsam nach Tempelhof gebracht.

F: Die Polizei berichtete am Sonntag von 14 Festnahmen. Wurden Sie alleine dorthin gebracht?

Mit mir zusammen wurde ein junger Mann dorthin gefahren, ein Zeuge des Vorfalls. Als er sah, wie die Polizei auf mich losging, hatte er empört gefragt: Was machen Sie denn mit dem Mann da? Der hat doch nur gefragt, warum er gefilmt wird! Daraufhin wurde er unter dem Vorwurf der versuchten Gefangenenbefreiung festgenommen. Wir saßen in Tempelhof von etwa 17 Uhr bis kurz nach Mitternacht in der Polizeizelle. Bei der Vernehmung wurde mir neben dem Vorwurf der Vermummung auch noch Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angelastet.

F: Wen haben Sie denn verletzt?

Niemanden, dazu hätte ich auch gar keine Gelegenheit gehabt, weil ich ja am Boden lag. Wahrscheinlich ist mein Kopf versehentlich unter das Knie von irgendeinem Polizisten gekommen. Es haben sich auch mehrere Zeugen gemeldet, die diesen Vorgang beobachtet haben. Die haben nicht nur mitbekommen, daß ich mich den Polizisten gegenüber als Journalist ausweisen wollte, sondern auch, daß ich im Würgegriff weggeschleppt wurde.

F: Welcher Art waren denn Ihre Verletzungen?

Sofort nach der Entlassung habe ich mich zur Charité fahren lassen, ich hatte nach den Schlägen auf den Hinterkopf enorme Schwindelanfälle. Ich bin nämlich vor einiger Zeit schon mal von einem der NPD nahestehenden Neonazi zusammengeschlagen worden, seitdem bin ich zu 40 Prozent behindert. Der Neonazi wurde übrigens zu 18 Monaten verurteilt. Jetzt war ich noch einmal beim Arzt, der hat mich erst einmal für eine Woche krank geschrieben.

F: Wollen Sie gegen die Polizei juristisch vorgehen?

Ich berate mich mit einem Anwalt, eventuell werden wir Strafanzeige erstatten.

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